Die Platte lebt e.V.

Dezember 2014

Regine-Hildebrandt-Preis für die „Platte“

„Das war ein unvergessliches Erlebnis, im Willy-Brandt-Haus in Berlin den Regine-Hildebrandt-Preis der SPD entgegenzunehmen“, sind sich Hanne Luhdo, Ingrid Schersinski, Heiko Lietz, Rosemarie Kaminski und Christian Schneider einig. Die fünf vertraten am 26. November, dem Todestag der ostdeutschen Politikerin (1941-2001), den Verein bei der Festveranstaltung.

Der Preis ist dem ehrenden Gedenken Regine Hildebrandts gewidmet und würdigt Personen oder gesellschaftliche Initiativen, die sich im Sinne dieser bedeutenden Sozialdemokratin für Demokratie und soziale Gerechtigkeit einsetzen, beispielhafte Solidarität mit benachteiligten Menschen zeigen und sich für die Verwirklichung der sozialen Einheit Deutschlands engagieren.

„Der Verein ‚Die Platte lebt‘ ist seit 2004 ein bedeutender Stabilitätsanker und bringt Leben in das größte Plattenbaugebiets Schwerins. Er hat einen großen Anteil am friedlichen Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in den Stadtteilen Großer Dreesch, Neu Zippendorf und Mueßer Holz“, begründete Schirmherrin Manuela Schwesig die Entscheidung der Jury. Die würdigte mit der Auszeichnung nicht nur den Verein als Anlaufstelle für Bewohner sowie als Organisator von  gemeinsamen Festen, sondern auch das Engagement gegen Rechtsextremismus und Gewalt.

Die Landtagspräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Sylvia Bretschneider, lobte in ihrer Laudatio das Angebot im Stadtteiltreff „Eiskristall“, die Mitwirkung im Aktionsbündnis für ein friedliches und weltoffenes Schwerin und die Vision vom „Plattenpark“ in einem Problembezirk der „Sozialen Stadt“.  „Fragt man in Schwerin jemanden nach einem gelungenen Beispiel für Selbsthilfe und bürgerschaftliches Engagement in einem schwierigen sozialen Umfeld, bekommt man immer dieselbe Antwort: Die Platte lebt!“, sagte die Laudatorin.

Hanne Luhdo bedankte sich im Namen des Vereins für die Ehrung und versicherte, dass man auch künftig gelegentlich gegen den Strom schwimmen werde. Sie hob den Runden Tisch Soziales hervor, an dem Vertreter der demokratischen Parteien, der Vereine, Verbände und Kirchgemeinden, auch einzelne Engagierte nach gemeinsamen Lösungen  suchen. Solange 160-200 Menschen jeden Donnerstag in der Petruskirche nach Lebensmitteln der Tafel anstehen müssen oder vor dem Carisatt-Laden auf günstige Waren warten, solange Kinder morgens ohne Frühstück aus dem Haus gehen und auf das Mittagessen der Kindertafel angewiesen sind und Asylbewerber und Flüchtlinge unsere Hilfe brauchen, dürfe man nicht nachlassen im Engagement für die Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Ebenfalls mit dem Regine-Hildebrandt-Preis ausgezeichnet wurde die Frauenbrücke Ost-West, die ihren Sitz in Emsdetten (NRW) hat.

 

Plattenbau ´mal anders – das gesellschaftspolitische Engagement des Vereins "Die Platte lebt" e.V.

 
Interview mit Heiko Lietz
Heiko Lietz wurde im Jahre 2010 als Botschafter für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet. Er war zur Wendezeit eine der führenden Kräfte des Neuen Forums im Norden der DDR und vor einigen Jahren Gründungsmitglied des "Aktionsbündnisses für ein friedliches und weltoffenes Schwerin". Einmal aktiv, immer aktiv – so engagiert er sich heute neben anderen Ehrenämtern stark für den Verein "Die Platte lebt" e.V.
 
Lesen Sie mehr dazu im Interview:
 
Welche Ziele vertritt der Verein "Die Platte lebt" e.V.?
 
Er fördert das soziokulturelle Leben in den Stadtteilen Großer Dreesch, Neu Zippendorf und Mueßer Holz. Dies sind drei Schweriner Plattenbaugebiete, von denen zwei zum Programmgebiet "Soziale Stadt – Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" gehören. Gerade in diesen Stadtteilen, in denen viele benachteiligte Menschen wohnen (Langzeitarbeitslose, Hartz IV - Empfänger/-innen, Alleinerziehende, Migrant/-innen), die teilweise von Transferleistungen oder kleinen Renten leben, sind Initiativen nötig, um ein friedliches Miteinander zu gestalten.
 
Mit welchen Aktionen gelingt es Ihnen, Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlicher Herkunft einzubeziehen?
 
Besonders bei Festen kommt die vielschichtige Arbeit des Vereins zum Ausdruck. Alljährlich findet im Juni das Stadtteilfest statt, bei dem die Bewohner/-innen aller drei Stadtteile und Gäste aus anderen Stadtteilen gemeinsam feiern. In diesem Jahr war es eingebettet in ein dreitägiges Mittsommer-Fest, das vom 20. bis zum 22. Juni in Schwerin stattfand. Mit dabei waren viele Vereine, Verbände, Schulen, Kitas, Wohnungsunternehmen, Kirchen und Bündnisse, die die Stadtteile repräsentieren. Das vierstündige Non-Stopp-Bühnenprogramm zeigte, wie bunt die Stadtteile sind: Kinder tanzten und musizierten, Jugendliche waren mit Rap und Breakdance vertreten, Senioren sangen im Chor. Die Akteure auf der Bühne waren zwischen vier und 80 Jahren alt. An den Sommerfesten und Weihnachtsmärkten im offenen Vereinstreff, dem sogenannten "Eiskristall", sind ebenfalls die befreundeten Migrant/-innenvereine mit ihren Kulturgruppen beteiligt. Auch das jüngste Demokratiefest am 23. Mai 2014 hat Jung und Alt, gleich welcher Herkunft, wieder ein Stück näher zusammengeführt. Eines der neueren Projekte ist das Repair Café, in dem Menschen unterschiedlichen Alters kaputte Dinge reparieren, um der Wegwerfmentalität entgegen zu wirken. Diese europaweite Initiative wurde im Februar 2014 vom Verein nach Schwerin geholt.
 
Woher nehmen Sie die Ideen für die vielfältigen Veranstaltungen und Projekte?
 
Die Ideen liegen meist auf der Straße bzw. entstehen aus der täglichen Arbeit im Stadtteil. Einige lassen sich leicht umsetzen, wie etwa das Haus der kleinen Forscher oder das Repair Café. Andere brauchen ihre Zeit und kosten viele Nerven, wie zum Beispiel der Plattenpark im Mueßer Holz. Dort soll ein Erlebnispark mit Labyrinth, Ökopyramide, Graffiti-Stern etc. aus Abrissmaterial geschaffen werden. Diese Idee entwickelt sich immer weiter (u. a. auch durch die Unterstützung eines Architekten im Ruhestand, der Mitglied des Vereins ist), krankt aber oft an der mangelnden Unterstützung durch die Stadt, die kein Geld hat und oft wichtige Beschlüsse hinausschiebt. Ein weiteres Beispiel für unsere wichtige Arbeit in den Wohnvierteln ist das Projekt "Sauber ist cool", das der Verein im Jahr 2005 ins Leben gerufen hat. Es ist aus der Beobachtung entstanden, dass der städtische Reinigungsdienst nicht ausreicht, um Ordnung im Wohnumfeld zu halten. Deshalb wurden Schüler/-innen gewonnen, die regelmäßig Papier und anderen Müll im Stadtteil aufsammeln und entsorgen und dafür für ihre Klassenkasse monatlich 30 Euro erhalten.
 
Mit welchen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Politik und Religion kooperieren Sie dabei?
 
Der Verein wirkt als Koordinator und arbeitet mit vielen anderen Vereinen und Einrichtungen zusammen. Er knüpft Kontakte zum Stadtteilmanagement und zur Stadtverwaltung sowie zu den Kirchen (vor allem mit der ev. Petrusgemeinde und mit der Freien ev. Gemeinde), um Projekte anzuschieben, Geld einzuwerben und Veränderungen zu bewirken. Auch bestehen viele Verbindungen zur Politik und Kooperationen mit Abgeordneten aller demokratischen Parteien auf verschiedenen Ebenen (Stadtvertretung, Landtag, Bundestag).
 
Mittlerweile prägt die Arbeit des Vereins schon seit 10 Jahren die Stadt. Welche Bilanz können Sie ziehen?
 
Unser Verein ist von 13 Gründungsmitgliedern auf 66 gewachsen und konnte sich "einen Namen" machen. Wir werden inzwischen auch zu wichtigen Beratungen herangezogen. Für unsere Arbeit wurden bereits mehrere Vereinsmitglieder ausgezeichnet. Außerdem erhielt der Verein den Annette-Köppinger-Preis für Integration und Menschlichkeit im Jahr 2010. Viele Fäden laufen bei der Vorsitzenden Hanne Luhdo zusammen.
 
Welche Aktionen und Veranstaltungen fanden in diesem Jahr bereits statt? Was haben Sie für die Zukunft geplant?
In diesem Jahr fanden bereits die große Jubiläumsfeier "10 Jahre - Die Platte lebt" und die Gründung des "Repair Cafés" statt. Regelmäßig stattfindende Veranstaltungen sind der "Runde Tisch Soziales", der "Runde Tisch Asyl", der sogenannte Plattenstammtisch sowie Lesungen und Quiz-Shows. Außerdem organisierten wir anlässlich der Europa- und Kommunalwahl im Mai ein Wählerforum und am Tag des Grundgesetzes am 23. Mai ein Demokratiefest im Rahmen des Aktionsbündnisses "Für eine friedliche und weltoffene Stadt". Viele weitere Aktionen werden noch folgen.

 

 

 

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